Mittlerweile kennt man den Begriff des Empathen und vieles ist dazu schon gesagt worden. Aber jeder, der sich selbst in diesen Beschreibungen wiederfindet, kennt auch das Phänomen, dass man als Empath mehr als andere, an emotionalem Schmerz zu leiden scheint. Und nicht selten wird das negiert; vom Betroffenen selbst oder von seinem Umfeld. Das Mehr an seelischem Schmerz scheint etwas zu sein, das oft nicht verstanden und deshalb geleugnet wird.
Als Erstes möchte ich feststellen: es stimmt; besonders empathische Menschen leiden emotional erheblich mehr als andere und sie werden auch deutlich mehr verletzt. Hier sind 7 Gründe:
1. Empathen spüren mehr; sie haben ein feineres Nervenkostüm und sind nicht selten schon früh instrumentalisiert, traumatisiert und in einen Zustand der Daueralarmbereitschaft versetzt worden. Das, unter anderem, hat sie darin geschult zu fühlen: die Stimmungen der anderen zu erahnen; an der Art wie die Haustür aufgeht schon zu hören, ob der Vater betrunken ist und man aus der Schusslinie gehen muss oder, ob heute alles ruhig bleibt. Sie spüren an ihren eigenen inneren emotionalen und rein körperlichen Reaktionen, was los ist. Wer mehr fühlt, fühlt allerdings auch mehr Schmerz.
2. Ihre Empfindsamkeit und ihre Erfahrungen machen sie zu Projektionsflächen derer, die sich selbst nicht oder nur wenig fühlen können. Wer sich selbst nicht richtig fühlt, verdrängt und muss infolge seine unverarbeiteten Gefühle auf jemand anderen übertragen. Hochempatische Menschen sind schon früh für die Übertragungen anderer missbraucht worden. Sie beziehen in ihren unbewussteren Jahren ihr Daseinsberechtigungsgefühl daraus, dass sie die Last anderer tragen. Sie sind darauf trainiert worden, ihre Fühlfähigkeit gegen sich selbst und in den Dienst der anderen zu stellen.
So geraten sie dann später auch weiterhin in entsprechende Situationen: sie fühlen sich, weil sie oft nichts anderes kennen, zu Menschen hingezogen, die sich selbst nicht spüren und die ihre unbewusste Charge auf sie übertragen.
3. Empathen werden oft zu lebenslänglichen Sündenböcken, erleiden Mobbing in ihren Berufen und haben im Laufe ihres Lebens oft mehrere toxische Beziehungen mit Menschen, die einen Empathen brauchen, der ihren unverarbeiteten Schmerz für sie trägt.
4. Empathen reagieren auf die Projektionen, die man ihnen aufbürdet. Das tun sie aber nicht in ihrer eigenen Art und Weise, sondern gefärbt von der emotionalen Last, die sie für den Anderen tragen.
Sie reflektieren zurück, was sie bekommen haben. Die Spiegelung erscheint jedoch wie unter einem Vergrösserungsglas und wird vom Gegenüber als bedrohlich erlebt.
Für die Übertragung wird keine Verantwortung übernommen; das schliesst sich aus. Jeder hochempathische Mensch kennt das: man fühlt eine Grenzverletzung; eine Ungerechtigkeit, einen unberechtigten Vorwurf oder Anklage, eine Vernachlässigung und wehrt sich. Das Gegenüber legnet und verstärkt den Druck. Hochempathische Menschen kommen an dieser Stelle emotional unter so einen Druck, dass sie beginnen, sich zu erklären und zu rechtfertigen, in der Hoffnung darauf, die Last der Übertragung wieder loszuwerden. Nichts kann einen mehr entlasten, als wenn der Andere plötzlich doch versteht und sich entschuldigt. Aber genau darauf warten hochemapthische Menschen oft vergeblich. Projektionen dienen dazu, unbewussten Schmerz loszuwerden und eben nicht, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Das bleibt dann auf den Schultern desjenigen liegen, der den Schmerz zu fühlen bekommt.
5. Empathen wissen. Sie haben sehr früh schon Zugriff auf Erkenntnisse, die jenseits von Erlerntem und Erfahrenen liegen. Damit machen sie sich nicht immer Freunde; allzuoft werden ihnen dann Dinge vorgeworfen, die ihnen nicht gerecht werden: sie seien altklug, besserwisserisch, würden urteilen, sie seien vorschnell; würden sich über andere erheben. Jeder Empath weiss, dass nichts davon stimmt. Und wie schmerzhaft es ist, wenn man für das, was man warum-auch-immer weiss, verurteilt und abgelehnt wird. Man fühlt sich verlassen und isoliert; manchmal passiert das bei engsten Freunden – eine Erfahrung die Empathen im Laufe ihres Lebens häufig machen, vor allem, wenn sie an ihrem Schmerz noch nicht gereift sind.
6. Ihr Mitgefühl macht sie besonders verständnis- und rücksichtsvoll: Empathen können aufgrund ihrer Fühlfähigkeit und emotionalen Geschultheit, das Leiden und auch die Seinsweise anderer Menschen besonders gut erfassen. Ein Gegenüber empfindet sich als gut aufgehoben, wahrgenommen und verstanden. Ein sehr empathischer Mensch hingegen, wird sich in langen Phasen seines Lebens, sehr selten so gut aufgehoben und angenommen fühlen.
Andererseits spüren Empathen aber eben auch das, was andere verdrängen. Sie haben sehr feine Antennen für die emotionalen Verwundungen anderer und können, vor allem, wenn sie sehr gereift sind, die verdrängten Schuld-und Schamgefühle, sowie unbewusste Ängste und abgewehrten Schmerz im Anderen „sehen“.
Das ist aber nicht immer erwünscht; so kann es passieren, dass jemand, der sich eben noch in der Gegenwart eines besonders empathischen Menschen wohlfühlte, plötzlich mit Ablehnung reagiert, weil er sich ab einem gewissen Punkt zu scharf und genau wahrgenommen fühlt.
Die dem oft folgende Zurückweisung ist sehr schmerzvoll für einen sehr empathischen Menschen. Nicht selten kommt es in diesen Situationen zu merkwürdigen Anschuldigungen, Unterstellungen und Fehleinschätzungen in denen sich der Emapth nicht wiederfinden kann.
7. Empathen können nicht gut verdrängen. Sie können ihre Gefühle mit zunehmender Reife immer schlechter verdrängen. Sie müssen aber die Folgen dessen, was weniger fühlende Menschen in der Welt anrichten, aushalten. Sie haben Mitgefühl gegenüber der Tierwelt, für Mutter Natur, für das Leid in der Welt und tragen schwer an Dingen, die sie selbst nie anrichten würden. Mit diesem Leiden sind sie auch meist allein.
Anstatt ihr gutes Herz, ihre Klugheit und ihren feinen Gerechtigkeitssinn anzuerkennen, werden sie als überempfindlich, lästig oder komisch verurteilt. Ihre Tränen bedrohen die Abwehr der anderen.
Empathen leiden sehr in den Jahren ihres Lebens, in denen sie noch nicht verstanden haben, dass sie wirklich anders sind, als der Grossteil der Menschen.
Auch, wenn es einen Wandel und zunehmend mehr Empathen zu geben scheint, sind sie in der Minderheit. Sie sind noch sehr auf sich selbst gestellt.
Hochempathische Menschen müssen irgendwann beginnen, sich selbst zu glauben und vor allem, anstatt für andere, sich selbst zu spüren.
Und sie müssen beginnen, Mitgefühl mit sich selbst zu haben. Da die Welt um uns herum mit uns so umgeht, wie wir mit uns selbst umgehen, müssen die Empathen den Anfang machen. Bei sich.
Denn: wir kommen erst aus dem Opferstatus heraus, wenn wir Mitgefühl und auch Mitleid mit uns selbst haben. Wenn wir das nicht zulassen, verlagern wir den Wunsch nach Verstandenwerden unmerklich und automatisch nach aussen und suchen die Lösung im anderen. Damit geben wir unsere Power weg und kommen in Abhängigkeiten, die wir Beziehung nennen.
Erst wenn wir uns unsere Verletzungen eingestehen; wenn wir uns glauben, dass uns Unrecht getan wurde; wenn wir die Tränen fiessen lassen und aufhören, gegen uns und unsere wirklichen Gefühle zu kämpfen, können die alten Wunden heilen. Wir müssen uns selbst trösten, wie wir es zahllose Male mit anderen getan haben.
Dann findet eine tiefe Reifung statt und nur dann kann sich das gigantische Geschenk entfalten, das dem Lebensschmerz des hochempathischen Menschen innewohnt.
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Sehr geehrte Frau Grundmann,
man kann so alt werden wie eine Kuh, man lernt immer noch dazu. Leider habe ich Ihre Artikel erst entdeckt, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war. 4,5 Jahre hat diese Beziehung mit einen toxischen Partner, der auch kein Partner sondern ein Geliebter war, gedauert.
Ich bin schon ein älteres Semester und habe vorher noch nie von toxischen Verbindungen zu Menschen gehört sonst wäre ich früher aufgewacht. Alles was Sie schreiben stimmt. Ich habe es selbst erlebt und beginne ab heute, mich davon zu befreien.
Mein Dank ist Ihnen gewiss. Schade, dass es Ihre Bücher nicht als Taschenbuch gibt.
Nochmals danke für Ihre Hilfe.
Ursula