„Akzeptiere den Moment so, wie er ist.“, „Du musst das Akzeptieren“, „Höre auf, Dich dagegen zu wehren“ oder „Du musst loslassen“, sind nur ein paar der Ratschläge, die man in diesen Tagen zunehmend häufiger hört oder liest.
Aber: was heisst das eigentlich, akzeptieren? Wie kann ich etwas akzeptieren, das ich nicht akzeptieren kann? Wie bekomme ich heraus, was es zu akzeptieren gibt?
Ich will so beginnen: Akzeptanz bedeutet nicht, zu allem „Ja“ zu sagen, mit allem einverstanden zu sein oder alles gut finden. Akzeptanz bedeutet nicht Toleranz.
Akzeptanz ist ein Anerkennen von. Sie bedeutet das Anerkennen der Existenz der Inhalte meines Bewusstseinsfeldes.
Es geht um das Anerkennen dessen, was gerade ist, was gerade in meinem Wahrnehmungsradius auftaucht; ein Anerkennen dessen, wo ich mit meiner Aufmerksamkeit gerade „drankomme“. Mehr nicht. Das kann eine Situation im Außen sein; das kann ein Gedanke oder ein Gefühl in meinem Innen sein. Dafür muss ich einen Augenblick lang innehalten, aus meinem Gedankenstrom, meinem mechanischen Tun austreten und schauen, was gerade los ist. Akzeptanz hat also etwas mit Wahrnehmen zu tun. Aber nicht zwangsläufig mit JA-sagen. Ich kann genauso gut mein NEIN-sagen bewusst wahrnehmen und anerkennen. Akzeptanz erkennt ein JA und ein NEIN gleichermaßen an. Akzeptanz richtet nicht.
Es geht darum, wahrzunehmen, was gerade auftaucht in mir und um mich herum; inklusive aller Empfindungen, Bewertungen und Urteile, aller Sympathien und Widerstände. Die Bereitschaft, bewusster wahrzunehmen, ist gleichzusetzen mit anerkennen und akzeptieren.
Wenn wir Akzeptanz mit Tolerieren gleichsetzen, tun wir so, als hätten wir ein JA, wenn wir aber eigentlich NEIN fühlen. Wir tun das, um uns entweder nicht unserer eigenen Negativität (oder das, was wir dafür halten) stellen zu müssen, oder um schlichtweg nett, kontrolliert, nicht-unbequem oder klug zu erscheinen.
Akzeptanz aber ist kein So-tun-als-ob, sie ist ein JA zu jedem aufrichtigen JA und zu jedem aufrichtigen NEIN. Beides, das JA und das NEIN, sind Ausdruck des Lebens.
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Die Akzeptanz liegt in der Wahrnehmung selbst
Somit beantwortet sich die nächste Frage: wie kann ich etwas akzeptieren, das ich nicht akzeptieren kann? Es geht nicht darum, die einzelnen Bestandteile einer schwierigen Situation zu tolerieren, sondern die innere und/oder äußere Situation als Ganzes überhaupt wahrzunehmen.
Vielleicht ist man verlassen worden; oder ein geliebter Mensch ist gestorben: Akzeptanz bedeutet hier die Traurigkeit, den Zorn, die Ohnmacht und den ganzen Widerstand, der sich vielleicht eine zeitlang auftut, anzuerkennen. Es bedeutet, diesen Gefühlen Raum zu geben, ihnen zu lauschen und den Kampf dagegen ein paar Momente lang, immer wieder, aufzugeben. Und wenn man das nicht kann und sich absolut gegen alles, was man innen und aussen erlebt auflehnt, bedeutet Akzeptanz nur, die Auflehnung bewusst wahrzunehmen.
Setze das JA hinter die Summe aller JAs und NEINs. „Ich kann und will diese Trennung nicht akzeptieren, das macht mir Angst und tut zu weh; ich kann diesen Schmerz nicht akzeptieren….“ Wenn an dieser Stelle ein leises JA kommt, dann ist das Akzeptanz genug. Es reicht aber schon das blosse bewusste Anerkennen des Soseins der Situation.
Akzeptanz bewirkt, dass man einen Augenblick lang aus dem Strom der Gedanken und Gefühle heraustritt und fast wie von Aussen auf die eigene Situation schaut. Das ist auch das, was mit Loslassen gemeint ist: einen Augenblick lang schauen, auf das was ist; einen Augenblick aus dem Kampf aussteigen und sich ergeben. JA, so ist es.(Oder so scheint es zu sein). Nur diesen Moment.
Und so findet man auch heraus, was es zu akzeptieren gibt. Ich schaue nur auf das, was ich aus meinem Blickwinkel gerade sehen kann. Und wenn ich gerade nichts mehr sehe, oder nur Chaos, dann ist das gut genug.
Man beginne immer da, wo man drankommt. Und schaue, was passiert.
Die Wahrheit kann sich nur beginnen zu offenbaren, wo unsere kleinen, persönlichen Geschichten und Wahrheiten beginnen sich aufzulösen. Das tun sie, wenn wir nicht im Strom der Gedanken und Gefühle mitschwimmen, sondern uns, sooft es geht ans Ufer setzen und von dort aus schauen. Da beginnt Akzeptanz.
Foto und Beitragsbild:
Screeny / photocase.de